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Die Phasen der Ars

Ramon behauptete wiederholt, die Ars sei durch einen Akt göttlichen Willens auf ihn gekommen als methodologische und formale Intuition universaler Reichweite. Von seinem ständigen Wunsch getrieben, die Ars erfolgreich einem jeweils unterschiedlichen Publikum zu vermitteln, erkannte er die Notwendigkeit, diese immer wieder umzuformulieren, zunächst mit der Tendenz zu einer wachsenden Bereicherung, dann durch die Einführung eines didaktischen Stils. Es folgt eine chronologische Auflistung der Entwicklung der Phasen der llullschen Kunst:

  1. Vor-Kunst Phase (1271-1274). Bevor er die Ars systematisch entwickelte, arbeitete Llull an dem Compendium logicae Algazelis und an dem Buch der Kontemplation, einem Monumentalwerk, das die meisten der grundlegenden Elemente von Llulls Denken enthält.
  2. Erste Phase der Kunst (1274-1289). In der Ars compendiosa inveniendi veritatem wurden die Figuren und Alphabete der Kunst Llulls zum ersten Mal vorgestellt. Es handelte sich dabei um das zentrale Werk des „ersten Zyklus“ dieser Phase. Im „zweiten Zyklus“ überarbeitete Llull sein System in der Ars demonstrativa (1283). Die Ars der ersten Phase ist auch als „quaternäre“ Ars bekannt, da bestimmte Reihen von Prinzipien als Vielfache von Vier (Gruppen von bis zu 16 Prinzipien) wiedergegeben werden.
  3. Zweite Phase der Kunst (1290-1308). In der Ars inventiva veritatis wurde die Zahl der Prinzipien auf 18 festgesetzt. Sie wurden in zwei Reihen von jeweils neun Prinzipien dargestellt (die niedrigere Reihe dieser Figuren erklärt die Bezeichnung als „ternäre Phase“). Llull führte dieses neue Projekt in seiner Taula general (1294) und dem Baum der Wissenschaft (1295-1296) aus und später in der Ars generalis ultima (1305-1308) und der Ars brevis (1308).
  4. Nach-Kunst Phase (1308-1315). Llull konzentrierte seine Aufmerksamkeit auf die Formulierung einer „neuen“ Logik, die in einer Reihe polemischer Werke vorgestellt wurde, insbesondere während seines Aufenthalts in Paris 1309-1311. Nachdem er für einige seiner Projekte die Zustimmung des Konzils von Vienne erhalten hatte, verfasste er weitere Werke in Mallorca, Sizilien und Tunis.

Die Veränderungen in der Terminologie und in der Struktur des Systems machen es möglich, Llulls Texte besser zu verstehen, da man sie im Kontext der Version der Ars sehen kann, in deren Rahmen sie jeweils entstanden sind. Dadurch kann auch für Werke ohne explizite chronologische Hinweise ein Entstehungszeitpunkt bestimmt werden.

Die obige Charakterisierung der Phasen der Ars ist ein Beitrag Anthony Bonners auf Grundlage früherer Studien von Tomás und Joaquín Carreras Artau, Frances Yates und Robert Pring-Mill. Vgl. sein Obres selectes de Ramon Llull, 2 Bde. (Palma de Mallorca: Editorial Moll, 1989), eine katalanische Version von Selected Works of Ramon Llull, 2 Bde. (Princeton: Princeton University Press, 1985).

Josep Maria Ruiz Simon erklärt die strukturellen Veränderungen in Llulls Denksystem von der Ars der ersten Phase hin zu der der zweiten Phase in seinem „De la naturalesa com a mescla a l’art de mesclar (sobre la fonamentació cosmològica de les arts lul·lianes)“, Randa, 19 (1986), S. 69-99.