Ars demonstrativa

Dieses Werk beinhaltet die zweite Version der Ars. Es revidiert und vervollständigt die Ars compendiosa inveniendi veritatem(1274). Die Schrift ist der zweiten Stufe der ersten Phase der Ars zuzuordnen und wurde 1283 in Montpellier verfasst. Der Text erscheint in Begleitung von Figuren und einem Alphabet, wobei es sich bei ersteren um graphische Symbole handelt, die den strukturellen Bau der Ars sichtbar machen und die Anwendung der kombinatorischen Mechanismen und der Berechnungen erleichtern sollen.

„Primäre“ Figuren

Die Ars demonstrativa enthält 12 „primäre“ Figuren, die Llull mit Buchstaben bezeichnet. Mit Ausnahme der Elementaren Figur sind alle Figuren rund und entlang ihrer Kreislinie sind Wörter eingetragen. Die diametralen Linien weisen auf die binären Kombinationen der jeweiligen Grundbegriffe hin.

Die Figur A repräsentiert Gott und sechzehn seiner Attribute bzw. Würden (Güte, Größe, Dauer, Macht, Weisheit, Wille, Tugend, Wahrheit, Herrlichkeit, Vollkommenheit, Gerechtigkeit, Großzügigkeit, Einfachheit, Vornehmheit, Gnade, Herrschaft).

Die Figur V liegt in zwei Farben vor: das blaue V zeigt die Tugenden (Glaube, Hoffnung, Liebe, Gerechtigkeit, Klugheit, Tapferkeit, Mäßigkeit) und das rote V die Laster (Gier, Wollust, Geiz, Stolz, Faulheit, Neid, Wut).

Die Figur X enthält acht Paare einander entgegengesetzter Konzepte: Vorherbestimmung – freier Wille, Sein – Mangel, Vollkommenheit – Unvollkommenheit, Verdienst – Schuld, Vermutung – Beweis, unmittelbar – mittelbar, Wirklichkeit – Vernunft, Kraft – Objekt.

Die Figuren Y und Z repräsentieren beide jeweils ein einziges Konzept: Wahrheit und Falschheit.

Die Figur S konzentriert sich auf die Vernunftseele und besteht aus vier miteinander verbundenen Quadraten, die einem Kreis eingeschrieben sind, wobei jedes Quadrat eine andere Kombination der Aktivitäten der höheren Vermögen des Menschen repräsentiert: der Verstand und die entsprechende Aktivität (wissen oder nicht wissen); die Erinnerung und ihre entsprechende Aktivität (erinnern oder vergessen); den Willen und seine entsprechende Aktivität (lieben oder hassen).

Die Figur T besteht aus fünf miteinander verbundenen Dreiecken, die jedes eine andere Farbe haben und einem Kreis eingeschrieben sind. Sie zeigt fünf Triaden mit folgenden Konzepten: Unterschied – Übereinstimmung – Gegensätzlichkeit (grün); Anfang – Mitte – Ziel (rot); Größersein – Gleichheit – Kleinersein (gelb); Zustimmung – Zweifel – Ablehnung (Schwarz); Gott – Geschöpf – Tätigkeit (blau).

Die Figur der Theologie, die Figur des Rechts und die Figur der Philosophie zeigen die Prinzipien ihrer jeweiligen Wissenschaften.

Die Demonstrative Figur bietet eine quasi-mechanische Methode, um die Konzepte bestimmter Figuren mit denen anderer Figuren zu kombinieren.

Die Elementare Figur ist aus vier Rechtecken gebildet, die die binären Kombinationen der vier Elemente zeigen, ausgehend von jedem einzelnen Element (Feuer, rot; Luft, blau; Wasser, grün; Erde, schwarz). Um diese Figur anwenden zu können, muss man die Struktur konzentrischer Kreise bedenken, die den vereinfachten aristotelischen Kosmos umgeben, die Sphären der Elemente, das Quadrat der Elemente sowie die entsprechende Kreisförmigkeit und die Beziehungen von Übereinstimmung und Gegensätzlichkeit.

„Sekundäre“ Figuren

Neben den zwölf „primären“ Figuren enthält die Ars demonstrativa zehn „sekundäre“ Figuren.

Die „sekundären“ Figuren haben eine dreieckige Form und stellen Tabellen mit allen möglichen binären Kombinationen der Konzepte der „primären“ Figuren dar.

Das Alphabet

Was das Alphabet anbelangt, so repräsentieren die Buchstaben A, S, T, V, Y und Z die oben beschriebenen Figuren, während andere, vor allem die zwischen B und R, der Bezeichnung derjenigen Konzepte dienen, die in der Figur S enthalten sind, der Figur, die der rationalen Seele zugeordnet ist, wie aus dem Alphabet der Ars demonstrativa erkennbar ist, das von A. Bonner zusammengestellt wurde.

Die Teile des Werks

Die Ars demonstrativa besteht aus vier Teilen oder Distinktionen, wobei die letzte eine Liste von Fragen zu den vorausgehenden Teilen ist, ergänzt durch die jeweiligen Antworten in symbolischer Darstellung.

  • Die erste Distinktion enthält eine detaillierte Beschreibung der Figuren.
  • Die zweite Distinktion legt die „Bedingungen“ der Ars dar, in anderen Worten, die Mechanismen, die den Leser dazu in die Lage versetzen, Erkenntnisse auf Grundlage der Prinzipien der Figuren A, V und X in Hinblick auf die Erkenntnis von Wahrheit und Falschheit (Figuren Y und Z) zu erlangen, indem er die Figuren T und S verwendet, die innerliche oder äußerliche Beziehungen zwischen den Prinzipien herstellen. Den Umgang mit diesen Instrumenten zu erlernen bedeutet, das Potential für verborgene Bedeutungen in den binären Kombinationen zu entdecken.
  • Die dritte Distinktion bietet sechzehn Arten bzw. vielmehr sechzehn Anwendungsweisen für die Mechanismen der Ars, nämlich: Erinnern, Verstehen, Lieben, Glauben, Kontemplieren, Finden (= Entdecken), Befehlen (= Anleiten), Predigen, Erklären (= Interpretieren), Lösen, Beurteilen, Zeigen (= Beweisen), Diskutieren, Beraten, Sich Gewöhnen (= sich gute Gewohnheiten aneignen), Kurieren (= Heilen).
Siehe: Anthony Bonner, Selected Works of Ramon Llull (Princeton: Princeton University Press, 1985), Bd. I, S. 305-568.; Katalanische Fassung: Obres Selectes de Ramon Llull (Palma de Mallorca: Moll, 1989), Bd. I, S. 275-521.