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Das Buch vom Heiden und den drei Weisen

Das Buch vom Heiden und den drei Weisen (1274-1276) ist eine apologetische Schrift, die die Wirksamkeit von Ramon Llulls Methode in einer Debatte über die Wahrheit oder Falschheit der drei Gesetze bzw. Buchreligionen (Judentum, Christentum und Islam) aufzeigen soll. Die Teilnehmer mussten Männer guten Glaubens sein, die bereit waren, den „Bedingungen“ der „Blüten“ zu folgen, die an fünf symbolischen Bäumen wuchsen. Dabei wurden die Attribute Gottes, die Tugenden, und die Sünden in binären Kombinationen dargestellt, wobei diese Kombinationen entweder durch Übereinstimmung oder durch Gegensätzlichkeit zustande kamen. Sollten die Bedingungen dieses diskursiven Spiels anerkannt werden, so würde sich der unwiderrufliche Sieg des Christentums automatisch einstellen, ohne dass die anderen Teilnehmer sich dadurch herabgesetzt oder bedroht fühlen würden. Es handelte sich nämlich um den Sieg der Vernunft.

Zwei Aspekte im Buch vom Heiden verdienen besondere Aufmerksamkeit. Zum einen ist dies die systematische Darstellung der Prinzipien des Gesetzes Mose und des islamischen Gesetzes, die beide von einem verantwortungsbewussten und angemessenen Wissen ihrer Inhalte zeugen, wie es unter den Autoren religiöser Polemiken zu jener Zeit keinesfalls üblich war. Zum anderen ist es die Erzählung, die die Abhandlung vermittelt. Llull stellt sich vor, dass ein Heide, also ein Ungläubiger, der keine Kenntnis des Monotheismus hat, seine Bereitschaft erklärt, den Glauben durch die Lehren dreier Weiser oder Experten, eines Juden, eines Christen und eines Muslims, kennenzulernen. Nachdem sie den Schüler über die Existenz eines einzigen Gottes, über die Schöpfung und die Wiederauferstehung unterrichtet haben (also Wahrheiten, zu denen sich alle drei Gelehrten bekennen), stellt jeder einzelne seine eigene Religion vor, damit der Zuhörer und auch der Leser die richtige Religion erkennen können. Scheinbar endet die Diskussion an einem toten Punkt, wobei der Heide jedoch erklärt, er wisse nun, welches die gute Religion sei.

Das Buch vom Heiden ist in einem ausgesprochen gefühlsgeladenen Ton verfasst, es beinhaltet Beschreibungen einer wunderbaren, idealisierten Natur, Dialoge, die sich durch äußerste Höflichkeit auszeichnen, sowie Ausbrüche in hochfliegender religiöser Dichtung.

Im Liber de fine (1305), in dem er später einen Überblick über dieses Werk gibt, versichert uns Llull, dass „das Buch vom Heidenals eine Fassung der Kunst betrachtet werden muss, da die Dame Intelligenz uns mit ihren fünf Bäumen nach Art der Kunst zu entdecken lehrt, dass das christliche Gesetz allen anderen Gesetzen überlegen ist.“